Rudolf Hermann Lotze

Rudolf Hermann Lotze (1827–1881), deutscher Philosoph, Mediziner und Physiologe. Professor in Leipzig, Göttingen und Berlin. In Deutschland einer der meistdiskutierten Philosophen vor dem 1. Weltkrieg. Versuchte Gefühl und Glaube einerseits und Wissenschaft andererseits miteinander zu versöhnen. Wie sein Freund  Fechner Vertreter der  »induktive Metaphysik«. Stark beeinflusst von Leibniz.

Versuchte in einem stärkeren Maße als Fechner in seiner Philosophie dem christlichen Glauben zu genügen, z. B. in dem er einen persönlichen Gott annahm. Unter seinen Anhängern befanden sich viele Theologen.

Die Unsterblichkeit der Seele sei zwar nicht beweisbar, aber wohlbegründeter Glaube. Die Entstehung der Seele dachte Lotze sich als eine Aktion des geistigen Weltgrundes, zu der dieser durch die Bildung eines körperlichen Keimes angeregt werde. [Einfacher ausgedrückt: Immer wenn irgendwo auf der Welt eine Eizelle (nur menschliche?) befruchtet wird, schafft der Liebe Gott sofort eine Seele dazu. Und die bleibt anschließend für alle Ewigkeit erhalten. Das könnte auch vom Papst sein. Immer wieder erstaunlich, was alles unter dem Begriff »Philosophie« firmiert. Weitere Kritik der Unsterblichkeitsvorstellung bei  Fechner.]

Wie Leibniz und die Naturwissenschaft seiner Zeit vertrat Lotze die Mechanistische Naturerklärung. Der Mechanismus war für ihn ein Mittel der Gottheit zur Verwirklichung des Weltzweckes. Vertrat in diesem Sinne einen teleologischen  Idealismus.

Trotz dieser mechanischen Naturerklärung vertrat Lotze – im Gegensatz zu Fechner – die Willensfreiheit. [Und ist damit so inkonsequent wie Leibniz.]  Moral sei ohne Freiheit nicht denkbar, und deshalb dürfe man sie annehmen. [Und daraus schloss er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.] Wir seien uns gar nicht immer determinierenden Ursachen bewusst, hätten im Gegenteil ein Freiheitsbewusstsein. [Aber das sind doch alles keine zwingenden Argumente. Das sagt alles nur, dass es Freiheit geben kann. Aber nicht muss.]

Wertlehre: Es gebe ethische Werte, denen objektive Geltung zukomme. Sie bestünden vor aller Erfahrung und gehörten zum ursprünglichen Besitz unseres Geistes. [Mit anderen Worten, als Gott unsere Seelen geschaffen hat, tat er gleich auch noch Wertvorstellungen hinein.] [1] Diese würden uns aber erst durch äußere empirische Erlebnisse bewusst und von uns lustbetont erlebt. Wie Fechner glaubte Lotze an eine Steigerung des Glücks im weiteren Verlauf des Weltprozesses.

Lotze beeinflusste Brentano und über diesen Husserl und die Phänomenologie, u. a. in der Auffassung, dass die Logik unabhängig sei von der Psychologie.

[An Lotze sieht man mal wieder, wie hochintelligente Menschen, wenn sie in einem Korsett religiöser und philosophischer Grundüberzeugungen stecken, in sich widersprüchliche und z. T. schlicht naive Auffassungen vertreten. (Widersprüche nicht im Sinne  Hegels.)]


Literatur, Sekundärliteratur und Links

Literatur:

Kleine Auswahl aus den philosophisch interessanten Schriften



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Anmerkungen

Anm. 1: Meine Anmerkung hat deshalb einen polemischen Unterton, weil bei Lotze Gott eine so große Rolle spielt. Etwas anderes ist es, wenn man vor dem Hintergrund der  Evolutionstheorie und der Evolutionäre Erkenntnistheorie behauptet, die Menschen hätten vor aller Erfahrung ethische Werte. Diese könnten sich auf Grund der Lebensbedingungen im Verlaufe der Entstehung des Menschen entwickelt haben und sind in Millionen von Jahren in die Erbmasse der Menschen eingegangen. Entsprechende Auffassungen bei  Cooper und  Hutcheson halte ich für plausible philosophisch-anthropologische  Hypothesen. – Zurück zum Text


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