Lebensphilosophie


Lebensphilosophie

Lebensphilosophie ist eine Sammelbezeichnung für mehr oder weniger ähnliche philosophische Auffassungen, in denen das Leben eine zentrale Rolle spielt und die sich gegen  Aufklärung und Rationalismus wenden. Diese Strömung war um die Wende vom 19. Jahrhundert auf das 20. Jahrhundert besonders in Deutschland und Frankreich sehr bedeutend.

Die Wirklichkeit wurde als ein großer Organismus angesehen, die Biologie war für die meisten Lebensphilosophen Grundlagenwissenschaft.

Die Welt sei (zumindest in beträchtlichem Maße) irrational.  Begriffe, Logik etc. hätten nur eine geringe Bedeutung. Die Vernunft habe bestenfalls eine helfende Funktion. Z. T. standen die Lebensphilosophen der Vernunft geradezu feindselig gegenüber und wollten die Welt »vor einer Vergewaltigung durch das Denken« bewahren. Lebensphilosophie sahen sie als ein Protest des Lebens gegen den Geist. Intuition, gefühlsmäßiges Begreifen, unmittelbares Schauen etc. wurden bevorzugt.

Lebensphilosophen waren Vertreter des Aktualismus. Bewegung, Werden, Entwicklung bedeutete den Lebensphilosophen mehr als statisches Sein. (In diesem Punkt wandten sie sich vehement gegen  Parmenides und  Platon.)

Die Lebensphilosophen waren Objektivisten, keine Subjektivisten. Es gebe eine von Menschen unabhängig existierende objektive Realität und wir könnten diese erkennen.

Die kleinste Einheit des Lebens sei das  Erlebnis. Hinter dieses könne man nicht. In ihm existiere die Einheit von Subjekt und Objekt.

Es gebe nicht nur eine Grundsubstanz, ein Grundprinzip etc. sondern zwei: Das Leben und ein diesem entgegengesetztes, oder mehrere. (Pluralismus)

Die Auseinandersetzung zwischen mechanischer und vitalistischer Lebenserklärung gibt es seit der Antike. Die Lebensphilosophen hielten die Entstehung des Lebens aus einem mechanischen Zusammenspiel der Atome – siehe hierzu  Leukipp und Demokrit – wie es für die Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts üblich war, nicht für möglich, sondern behaupteten eine formende Lebenskraft, die einige mit  Aristoteles »Entelechie« nannten. Die Lebensphilosophen waren mehrheitlich Vitalisten.

Idealismus: Wenn man die verschiedenen philosophischen Strömungen in die drei Gruppen  Idealismus,  Materialismus und  Agnostizismus einteilt, dann gehören die Lebensphilosophen zu den Idealisten. Man muss bloß dabei beachten, dass es innerhalb dieser Gruppen wiederum eine große Vielfalt gibt und die Zuordnung zu einer dieser Gruppen in Einzelfällen problematisch sein kann. Nietzsche als einer der Auslöser der Lebensphilosophie kann nicht dem Idealismus zugeordnet werden. (Jedenfalls nicht dem objektiven, dem subjektiven durchaus. (Wegen seiner verstreuten konstruktivistischen Gedanken.)

Die Lebensphilosophie beeinflusste den Pragmatismus, den Existentialismus und die Phänomenologie.


Vertreter der Lebensphilosophie

Als Gründer der Lebensphilosophie werden oft Kierkegaard, Schelling, Schopenhauer und Nietzsche genannt, auch wenn zu ihren Schaffenszeiten der Begriff Lebensphilosophie noch nicht für diese Grundströmung verwendet wurde. (Man könnte auch noch Rousseau nennen und bedingt die Vertreter der Romantik.) Ob diese als Lebensphilosophen bezeichnet werden sollten, oder als Vorläufer, Vorbereiter dieser Strömung wird unterschiedlich beurteilt.

Bedeutende Vertreter der Lebensphilosophie und Philosophen, die dieser Richtung zumindest nahe standen, sind u. a.:


Kritik an der Lebensphilosophie

Die Lebensphilosophie spielt heute keine große Rolle mehr. Der Kern dieser Lehre, die Ablehnung der Vernunft, ist eine Art philosophischer Maschinenstürmerei. Die Bedeutung der Vernunft in der Wissenschaft und bei der Verbesserung des Lebens ist (jedenfalls für mich und die meisten anderen Menschen) offensichtlich. Was von dieser Strömung bleibt, ist aber zumindest die Skepsis, ob die Vernunft alles erklären kann. Und ob es außer der Vernunft auch noch andere wichtige Dinge gibt.

Da inzwischen auch im unorganischen Bereich Selbstorganisation der Materie beobachtet worden ist, steht die Wissenschaft heute einer Kraft, die von außen die Materie zum Leben treibt und formt, skeptisch gegenüber. [Meines Erachtens nach kann aber sowohl den unorganischen wie dem organischen Vorgängen geistige Prozesse zu Grunde liegen. Interessant in diesem Zusammenhang ist der Hinweis von Konrad Lorenz auf die intelligenzanalogen Vorgänge in der Natur.]

Aktualismus und Objektivismus sind heute Kernbestandteile des wissenschaftlichen Weltbilds.


Zur philolex-Startseite


Copyright © by Peter Möller, Berlin.