Staat und Staatsphilosophie


Allgemeine Definition

Ein Staat ist politisch/rechtlich betrachtet eine Organisation, die auf einem bestimmten Gebiet die (nach innen höchste und nach außen unabhängige) Macht darstellt, die eine bestimmte Rechtsordnung für das menschliche Zusammenleben durchsetzt. (Diese Definition ist aber nicht unumstritten! Viele Anhänger bestimmter philosophischer und/oder politischer Theorien werden sie als oberflächlich kritisieren.)

Die verschiedenen Staaten unterscheiden sich u. a. durch die Art und Legitimierung der Macht, speziell der politischen Macht. Z. B. Monarchie oder Republik, Diktatur oder Demokratie. Jede dieser Staatsformen hat wiederum Unterarten z. B. absolute Monarchie und konstitutionelle Monarchie. Letztere hat in der Regel eine Verfassung, die die Rechte des Monarchen eingrenzt und der demokratisch gewählten Regierung die wirkliche Macht gibt. Wichtig ist auch zwischen Verfassungstheorie und Verfassungswirklichkeit zu unterscheiden. So können Staaten der Theorie nach Demokratien, faktisch aber Diktaturen sein. In Republiken kann es einen so starken Herrscher geben, dass man fast schon von einer Monarchie sprechen kann. (Wenn z. B. im angeblich kommunistischen Nordkorea der Sohn des Diktators nach dessem Tod neuer Diktator wird. Jetzt steht der Enkel an der Spitze. Ähnlich ist es in Syrien.)

Die Staatsphilosophie oder in neuerer Zeit auch die »politische Philosophie«, ist ein Teilbereich der  praktischen Philosophie. Sie beschäftigt sich mit der Legitimität, dem Wesen, den Prinzipien, dem Wert, dem Zweck und der Funktion des Staates und der politischen Macht generell.


Die verschiedenen Staatsphilosophien

Den Staatsphilosophen bzw. Staatstheoretikern der letzten drei Jahrtausende ging es um die Frage, wie der Staat entstand, ob der Staat überhaupt sein müsse, wenn, warum er sein müsse und wie er konkret beschaffen sein solle. Dabei wurden die unterschiedlichsten und widersprechensten Theorien hervorgebracht.

Außerhalb der abendländischen Philosophie entwickelte Konfuzius eine Staatsphilosophie, in der besonders Begriffe wie »Maß und Mitte« eine Rolle spielten.

Im Abendland entwickelte als erster  Platon eine umfassende Staatsphilosophie. Für ihn ist der Staat die höchste Form des sittlichen Lebens. (Ähnliches findet man später bei  Hegel.) Aber nur ein guter Staat, der nach Platons Vorstellungen aufgebaut ist. Die Gesellschaft ist in klar abgegrenzte Klassen bzw. Schichten geteilt (Nährstand, Wehrstand, Lehrstand) und wird von weisen Philosophenkönigen regiert, während die Masse des Volkes von jeder Herrschaft ausgeschlossen ist. Dabei geht es Platon um das Glück aller. Herrschaft ist nicht Selbstzweck. Ein nach dieser Konzeption aufgebauter Staat werde das Glück aller fördern. Platon wird wegen dieser Auffassungen des Öfteren als Ahnherr totalitärer Gesellschaftskonzeptionen betrachtet. (z. B. von  Popper.)

Sein Schüler  Aristoteles war Platon gegenüber der Realist, nicht der Ideologe oder Träumer. Er ging davon aus, dass der Mensch von Natur aus ein staatenbildendes Wesen sei. Man solle nicht nur den idealen Staat bedenken, sondern auch den möglichen. Aus der Unvollkommenheit der verschiedenen Regierungsformen (Monarchie, Aristokratie und Demokratie) zog Aristoteles den Schluss, dass man eine Mischung dieser Regierungsformen anstreben sollte. Er propagierte damit eine gewisse Form von  Gewaltenteilung. Der Staat sei dann gerechtfertigt, wenn er das Glück seiner Mitglieder gewährleiste.

Im Mittelalter entwickelte  Thomas von Aquin eine christliche, stark an  Platon und  Aristoteles orientierte Staatstheorie, die bis heute für die Staatsphilosophie der Katholischen Kirche große Bedeutung hat.

Der Italiener  Niccolo Machiavelli entwickelte die Theorie der unumschränkten staatlichen Macht, die an kein Recht und keine Ethik gebunden und nur auf Machsteigerung aus ist.

Einen Gegenpol zu Machiavelli ist der Holländer  Hugo Grotius, der als Begründer des Völkerrechts gilt. Das Recht steht nach ihm über dem Staat.

Der Engländer Thomas Morus entwickelte in Form einer Dichtung (»Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia«) eine ideales kommunistisches Gemeinwesen, mit Teilnahme aller an der Arbeit, Zugang aller zur Bildung etc., in dem die Ausbeutung und das Elend der unteren Klassen beseitigt sein sollte.

Zu Beginn der Neuzeit entwickelte der englische Philosoph  Thomas Hobbes die Theorie des absoluten Staates. Im Naturzustand herrsche der Kampf aller gegen alle. Ein gutes Leben sei so für den Einzelnen nicht zu erreichen. Die Mitglieder einer Gesellschaft würden deshalb im Gesellschaftsvertrag ihre Macht an ein Souverän übertragen, das den Frieden sichert, aber dafür mit absoluter Macht ausgestattet sein müsse.

Eine ähnliche Theorie des Staatsabsolutismus entwickelte der Franzose Jean Bodin. Bei ihm sollte es aber unter der Herrschaft eines absoluten Monarchen religiöse und politische Toleranz geben. Sowohl Hobbes wie Bodin entwickelten ihre Theorie vom Staatsabsolutismus unter dem Eindruck bürgerkriegsartiger Unruhen. Bodin gilt als Begründer der Lehre von der Staatssouveränität.

Dass das Volk ein Recht auf Widerstand gegen tyrannische Herrscher habe, das propagierte der Deutsche Johannes Althusius, ein Vertreter der Volkssouveränität. Er gilt als Begründer der  vertikalen Gewaltenteilung und des Subsidiaritätsprinzips.

Nach Spinoza ist Macht und Recht identisch. Die Menschen hätten einen Teil ihrer Macht und ihres Rechts an den Staat abgegeben und dadurch Sicherheit gewonnen. Der Staat befinde sich aber weiterhin im Naturzustand und zwar sowohl nach außen, gegenüber anderen Staaten, als auch nach innen, gegenüber seinen Bürgern. Religiöse und wissenschaftliche Überzeugungen könnten aber nicht erzwungen werden. Versuche der Staat dies, überschreitet er seine Macht und damit sein Recht. Er mache sich nur lächerlich. Jede mögliche Freiheit zu gewähren sei von Seiten des Staates eine Frage der Klugheit.

Als Begründer der Theorie von der  »horizontalen Gewaltenteilung« gilt der Engländer  John Locke. Er vertrat die Auffassung, dass die »gesetzgebende Gewalt« (Legislative) und die »ausführende Gewalt« (Exekutive) getrennt werden sollten. Mit dieser Theorie war er ein Gegenpol zu seinem Landsmann  Hobbes. Der Staat sei nur gerechtfertigt, wenn die Mehrheit in freier Entscheidung die Regierung bestimmen könne. Locke begründet eine politische Theorie der Demokratie und des Liberalismus.

Dass von der »gesetzgebende Gewalt« und der »ausführende Gewalt« auch noch die »rechtsprechende Gewalt« (Judikative) getrennt werden solle, diese Auffassung vertrat der Franzose  Montesquieu, der häufig als der Begründer der Theorie von der Gewaltenteilung bezeichnet wird. Die grundsätzliche Konzeption übernahm er aber von Locke.

Die Theorie vom Gesellschaftsvertrag, die bereits bei  Hobbes vorhanden war, greift der schweizerisch-französische Philosoph  Rousseau wieder auf. Im Gegensatz zu Hobbes hatte er kein negatives, sondern ein positives Menschenbild. Nicht im Naturzustand, sondern erst im Verlauf der Entwicklung von Wissenschaft und Kunst werde die Gesellschaft schlecht. Jeder Mensch habe einen Anteil an der Souveränität des Staates. Über den Gesellschaftsvertrag müsse die Freiheit des Einzelnen und die Autorität der Gemeinschaft in Einklang gebracht werden. Rousseau wird deshalb als Begründer einer Theorie der Demokratie angesehen. [Diese Auffassung halte ich für problematisch.] Im Gegensatz zu  Bodin gibt es für Rousseau keine Toleranz auf politischen und religiösem Gebiet. Dem einmal festgestelltem Gemeinwillen habe sich jeder bedingungslos unterzuordnen. Bestenfalls könnten Menschen mit abweichenden Auffassungen auswandern.

 Kant versuchte dem Staat eine rechtsphilosophische, ethische Grundlage zu geben. Staatliche Macht und geltendes Recht habe nur dann eine Berechtigung, wenn jedes Individuum sich als Urheber ansehen könne. Sie müssten dem Sittengesetz und dem  »Kategorischen Imperativ« entsprechen. Der Staat müsse die bürgerlichen Rechte garantieren.

Der Philosoph  Fichte, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte, entwickelte als erster in Deutschland die Idee des Sozialstaates. Der Staat müsse es dem Einzelnen garantieren, von seiner Arbeit leben zu können. Bei Fichte gibt es aber auch schon totalitäre Tendenzen, da nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das pädagogische Chaos beseitigt werden sollte. Die Erziehung solle nach einem einheitlichem staatlichen Plan geschehen.

Für  Hegel ist die Weltgeschichte die Entwicklung immer höherer Formen des Geistes, auch der Sittlichkeit. Nach ihm ist der Staat die Wirklichkeit der sittlichen Idee. Ähnlich wie bei  Platon.

Nach  Marx ist der Staat das Ergebnis der Klassenspaltung, die an einem bestimmten Entwicklungspunkt der Produktivkräfte auftrat. Mit der Aufhebung der Klassenspaltung im Kommunismus werde der Staat wieder verschwinden. Der Staat sei in der Regel Instrument der ökonomisch herrschenden Klasse, die vermittels seiner auch zur politisch herrschenden Klasse werde. Schon in der proletarischen Revolution werde der Staat durch etwas qualitativ anderes ersetzt, das nicht mehr Staat genannt werden könne. (Marxens Aussagen dazu sind allerdings zuweilen widersprüchlich, bzw. zumindest ungenau. Näher ausgeführt habe ich dies in meinem Referat über Marxistische Staatstheorie.)

Für  Lenin hat der Staat bei der Errichtung der kommunistischen Gesellschaft eine ganz entscheidende Bedeutung. (Er weicht in diesem Punkt stark von Marx ab, was viele »Marxisten-Leninisten« allerdings entschieden bestreiten.) Er vertrat faktisch eine neue Form des Staatsabsolutismus und wurde so zum theoretischen und praktischen Begründer des »realsozialistischen Staates«, wie er einige Jahrzehnte in Osteuropa bestand und in einigen Teilen der Welt (z. B. Nordkorea und Kuba) heute noch besteht. Aber auch für Lenin ist der Staat ein Produkt der Klassenspaltung und im vollendeten Kommunismus würde es ihn nicht mehr geben.

Karl Popper kommt besonders durch seine Auseinandersetzung mit faschistischen und leninistischen bzw.  stalinistischen Staatsvorstellungen und den zu seiner Zeit existierenden faschistischen und real-sozialistischen Staaten zu der Auffassung, dass der Staat freiheitlich und demokratisch sein müsse. Die gesellschaftlichen Institutionen sollten so beschaffen sein, dass, wenn ein Verbrecher an die Macht kommt, er möglichst wenig Schaden anrichten kann. Das Entscheidende an der Demokratie sei die Existenz freier Institutionen. (Freie Wahlen, Pluralität verschiedener Parteien und Interessensvertretungen, freie Presse, Demonstrationsfreiheit u. v. ä. m.) Diese freien Institutionen müsse man notfalls auch gegen die Mehrheit der Bevölkerung verteidigen.  Näheres dazu.

Eine neuere und unter Philosophen und Staatstheoretikern viel diskutierte Form der »Vertragstheorie« findet man bei dem US-Amerikaner  John Rawls. Er konstruiert einen Urzustand, indem eine Gruppe von Menschen einen Staat begründen wollen, aber keiner weiß, welche soziale Stellung er in diesem Staat haben wird. Die einzelnen Menschen werden dann aus ganz egoistischen Motiven eine Staatsform wählen, in der das möglichst größte Glück aller realisiert werden kann. Das bedeutet u. a. ein umfassendes System gleicher Grundfreiheiten und soziale Differenzierung soweit, wie diese für die sozial Schwachen von Vorteil ist. (Was nützt es den Armen, wenn man die Reichen abschafft und sie anschließend ärmer sind, als sie es wären, wenn es Reiche gäbe?) [Rawls hat seine ursprünglichen Vorstellungen mit der Zeit reichlich verwässert, weil diese eine erheblich sozialere Gesellschaft propagierten, als die in den USA vorhandene.]

In neuerer Zeit wird weniger von »Staatsphilosophie«, sondern mehr von »politischer Philosophie« gesprochen. Das bedeutet, dass nicht nur die staatliche, sondern jegliche politische Macht hinterfragt wird. Dabei geht es nicht nur um die Legalität sondern auch um die Legitimität der konkreten Herrschaftsakte. Sie sollen nicht nur dem geltendem Recht, sondern auch ethischen Kriterien entsprechen.

Die Staatsphilosophie hat auch dadurch an Bedeutung verloren, dass die einzelnen Staaten in zunehmendem Maße Herrschaftsrechte an überstaatlichen Vereinigungen abtreten. Aber auch schon in früheren Zeiten war die Souveränität faktisch durch wirtschaftliche Abhängigkeit und/oder mächtigeren Staaten eingeschränkt.


Kritik und eigene Vorstellungen

Viele Staatsphilosophen arbeiten mit einem angeblichen Naturzustand der Menschen, den es in Wirklichkeit nie gab. Es gab weder den negativen Naturzustand  Hobbes', noch den positiven  Rousseaus. Es hat nie einen bewusst aus Zweckmäßigkeitsgründen vollzogenen Gesellschaftsvertrag gegeben. [1] Philosophen konstruieren auf grund unterschiedlicher Menschenbilder unterschiedliche Naturzustände, von denen aus sie zu unterschiedlichen Vorstellung von einem idealen Staat kommen. Auch metaphysische Begründungen des Staats wie bei  Platon und  Hegel haben in der Wirklichkeit keine Bedeutung.

Der Staat bzw. seine Vorstufen entstanden bereits zu einer Zeit, als unsere Vorfahren noch Tiere waren, genauer: Herdentiere. In einer Tierherde gibt es bereits Herrschaft und Regeln, sprich Gesetze. Lange bevor unsere Vorfahren Begriffe dafür hatten, sich dessen bewusst waren, anfingen darüber nachzudenken, gab es bereits Staat, bzw. Vorformen. Die Menschen waren nie ohne Staat, weil sie als soziale Wesen entstanden sind. Was die Menschen später entwickelten, waren Ausdehnungen und Verkomplizierungen von etwas, das seit ihrer Entstehung schon immer da war. Wobei es allerdings auch hier quantitative Veränderungen gab, die in qualitative Veränderungen umschlugen.

Auf den Staat kann eine hochkomplexe Massengesellschaft nicht mehr verzichten. Wir können die Arbeitsteilung nicht aufheben. Das war eine Illusion des ursprünglichen Marxismus und der Anarchisten. Wir brauchen Gesetze, wir brauchen Institutionen, die die Gesetze machen, Institutionen, die die Einhaltung der Gesetze überwachen, wir brauchen Verwaltung. Über die konkrete Beschaffenheit der Gesetze, der Institutionen, der Art und Ausdehnung der Verwaltung ist damit aber noch nichts gesagt. Wir brauchen den Staat auch als Schutz der Schwachen vor den Starken. Der Staat ist leider sehr oft die Interessesvertretung der ökonomisch Herrschenden gewesen. Der Sozialstaat zeigt aber, dass er zumindest partiell auch eine neutrale Macht über den verschiedenen sozialen Schichten sein kann. Ohne Sozialstaat wäre das Leben für große Teile der Bevölkerung schlechter. Die Gesellschaft wäre aber auch instabiler. Der gegenwärtige Sozialstaatsabbau findet nicht meine Zustimmung, wie ich im Artikel über die  Arbeiterbewegung näher ausgeführt habe.

Den demokratischen Sozialstaat halte ich für die am wenigsten problematische Form des menschlichen Zusammenlebens. Dass die Masse des Volkes entscheidet, wer regiert, ist nicht unproblematisch, da großen Teilen der Bevölkerung das nötige Wissen und das nötige allgemeine Niveau fehlt, um das kompetent entscheiden zu können und weil die Masse leicht manipulierbar ist, all zu leicht den Demagogen auf den Leim geht. Es gibt aber keine weniger problematische Art der Legitimierung politischer Macht, als dass es in regelmäßigen Abständen freie Wahlen gibt. Auch der Sozialstaat ist nicht unproblematisch, wie ich im Artikel über den  Kommunismus und Sozialismus näher ausgeführt habe. Aber auch hier gibt es keine weniger problematische Lösung.


Zitate zu Staat

Aristoteles: »Es ist offensichtlich, dass der Staat ein Werk der Natur ist und der Mensch von Natur aus ein staatenbildendes Lebewesen.« [Weil wir von Herdentieren abstammen und die Regeln, die Ordnung der Herde Vorformen von Staat sind.]

Jeremy Bentham: »Der einzig und allein gerechte und einzig und allein zu rechtfertigende Endzweck des Staates ist: das größte Glück der größten Zahl.«

Otto von Bismarck: »Ein großer Staat regiert sich nicht nach Parteiansichten.«

Ludwig Börne: »Hätte die Natur so viele Gesetze, als der Staat, Gott selbst könnte sie nicht regieren.«

Friedrich Engels: »Man sollte das ganze Gerede vom Staat fallenlassen, besonders seit der [Pariser] Kommune, die schon kein Staat im eigentlichen Sinne mehr war [...] Wir würden daher vorschlagen, überall statt Staat Gemeinwesen zu setzen.«

Erhard Eppler: »Abwesenheit des Staates macht die Menschen nicht frei, sondern zum Freiwild, besonders die schwachen.«

Benjamin Franklin: »Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt, die Wahrheit steht von alleine aufrecht.«

Charles de Gaulle: »Der Staat, der seinem Namen gerecht wird, hat keine Freunde – nur Interesse.« [Das sehen die europäischen Staatschefs und die Mehrheit der Europäer heute glücklicherweise anderes.]

Goethe: »Der Staat trägt einen Januskopf: Er hilft den Schwachen und erdrückt sie auch.« »Dem Staate liegt nur daran, dass der Besitz gewiss und sicher sei; ob man mit Recht besitze, kann ihn weniger kümmern.«

Hegel: »Der Staat ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee.« »Eine Menschenmenge kann sich nur Staat nennen, wenn sie zur gemeinschaftlichen Verteidigung der Gesamtheit ihres Eigentums verbunden ist.«

Johann Gottfried Herder: »Ist der Staat das, was er sein soll, das Auge der allgemeinen Vernunft, das Ohr und Herz der allgemeinen Billigkeit und Güte, so wird er jede dieser Stimmen hören und die Tätigkeit der Menschen nach ihren verschiedenen Neigungen, Empfindbarkeiten, Schwächen und Bedürfnissen aufwecken und ermuntern.«

Hölderlin: »Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, dass ihn der Mensch zu seinem Himmel machen wollte.« [Das hat der lange vor dem »Realen Sozialismus« geschrieben!]

Joseph Joubert: »Die Menschen werden ungleich geboren. Der große Segen der Gesellschaft besteht darin, diese Ungleichheit soweit wie möglich durch die Beschaffung von Sicherheit, des erforderlichen Eigentums, der Ausbildung und des Beistands für einen jeden zu mindern.« [So sollte es jedenfalls sein. Nur so ist der Staat im Interesse der Mehrheit.]

Immanuel Kant: »Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.« »Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staats gewalttätig einmischen.«

Karl Kraus: »Was zugunsten des Staates begonnen wird, geht oft zuungunsten der Welt aus.«

Stanislaw Jerzy Lec: »Die Verfassung eines Staates solle so sein, dass sie die Verfassung des Bürgers nicht ruiniere.«

Abraham Lincoln: »Staatskunst ist die kluge Anwendung persönlicher Niedertracht für das Allgemeinwohl.« [Da hat er von seinem eigenen Handeln ja nicht die beste Meinung gehabt.]

Marx: »Die Freiheit besteht darin, den Staat aus einem der Gesellschaft übergeordneten in ein ihr durchaus untergeordnetes Organ zu verwandeln.« [Was in der DDR nicht gerade der Fall war.] »Die [Pariser] Kommune war eine Revolution gegen den Staat selbst, gegen diese übernatürliche Fehlgeburt der Gesellschaft« »Gegen die jetzt überflüssig gemachte Staatsmacht.«

Charles de Montesquieu: »In einem Staat, das heißt in einer Gesellschaft, in der es Gesetze gibt, kann Freiheit nur darin bestehen, das tun zu können, was man wollen darf. Freiheit ist das Recht, alles zu tun, was die Gesetze erlauben.«

Nietzsche: »Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: ›Ich, der Staat, bin das Volk!‹.« »Dem Staat ist es nie an der Wahrheit gelegen, sondern immer nur an der ihm nützlichen Wahrheit, noch genauer gesagt, überhaupt an allem ihm Nützlichen, sei dies nun Wahrheit, Halbwahrheit oder Irrtum.« »Ein Bündnis von Staat und Philosophie hat also nur dann einen Sinn, wenn die Philosophie versprechen kann, dem Staat unbedingt nützlich zu sein, das heißt den Staatsnutzen höher zu stellen als die Wahrheit.«

Arthur Schopenhauer: »Das Recht an sich selbst ist machtlos: von Natur herrscht die Gewalt. Diese nun zum Rechte hinüberzuziehn, so dass mittelst der Gewalt das Recht herrsche, dies ist das Problem der Staatskunst – und wohl ist es ein schweres. « »Der Staat, dieses Meisterstück des sich selbst verstehenden, vernünftigen, aufsummierten Egoismus aller, hat den Schutz der Rechte eines jeden in die Hände einer Gewalt gegeben, welche, der Macht jedes einzelnen unendlich überlegen, ihn zwingt, die Rechte alle andern zu achten. Da kann der grenzenlose Egoismus fast aller, die Bosheit vieler, die Grausamkeit mancher sich nicht hervortun: der Zwang hat alle gebändigt.« »Was sind denn die Staaten, mit aller ihrer künstlichen, nach außen und nach innen gerichteten Maschinerie und ihren Gewaltmitteln Anderes, als Vorkehrungen, der grenzenlosen Ungerechtigkeit der Menschen Schranken zu setzen?«

Carl Spitteler: »In der Tat lässt sich die ganze Weisheit der Weltgeschichte in einem einzigen Satz zusammenfassen: Jeder Staat raubt, so viel er kann. Punktum. Mit Verdauungspausen und Ohnmachtsanfällen, welche man Frieden nennt.« [So ist es lange gewesen! Muss aber nicht immer so bleiben. Auf die Mehrheit der heutigen Staaten trifft diese Beschreibung glücklicher Weise nicht zu.]

Max Weber: »Staat ist diejenige menschliche Gesellschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes [...] das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht.«

Richard von Weizsäcker: »Der Staat, das sind wir selber.«

Woodrow Wilson: »Der Staat darf nicht lenken; er soll Bedingungen schaffen, aber nicht Individualitäten formen.« »So sollte der Staat z. B. nicht versuchen, die private  Moral zu überwachen, weil sie in das Gebiet der besonderen Verantwortlichkeit des Einzelnen und nicht in das gehört, auf dem alle Menschen gegenseitig von einander abhängen. Gedanken und Gewissen sind Privatsache. Der Staat soll nur dort eingreifen, wo gemeinsames Handeln, ein einheitliches Gesetz notwendig ist.«


Zur philolex-Startseite


Anmerkungen

Anm. 1: Ausnahmen sind vielleicht, wenn Auswanderer oder Pioniere irgendwo in der Wildnis eine Siedlung gründen und dort ein kommunales Gemeinwesen aufbauen. Aber auch diese Menschen kommen aus einem Staat und sind in der Regel in höhere staatliche Gebilde eingebettet. Zurück zum Text


Zur philolex-Startseite


Copyright © by Peter Möller, Berlin.