Gottesbeweise

Gottesbeweise sind Versuche, die Existenz Gottes mit Hilfe der Vernunft zu beweisen. Solche Versuche werden fast nur von Leuten unternommen, die an Gott glauben, um denjenigen, die nicht an Gott glauben, die Existenz Gottes zu beweisen. In seltenen Fällen wird es auch so sein, dass eigene Zweifel ausgeräumt werden sollen.

Es gibt unterschiedliche Arten von Gottesbeweisen, die in der Reihenfolge ihrer Bedeutung in der philosophischen Diskussion im folgenden kurz erörtert werden.

Ontologischer Gottesbeweis: Aus der Existenz des  Begriffs bzw. des Gedankens »Gott« wird auf die Existenz Gottes geschlossen.  Anselm von Canterbury argumentierte, Gott sei das, größer als welches nichts gedacht werden könne. Wenn dieser Gott aber nur im menschlichen Geist vorhanden wäre, so ließe sich noch etwas größeres denken als das, größer als welches nichts gedacht werden könne – nämlich Gott als nicht nur im Geist, sondern auch in der Realität vorhanden. Dies sei ein Widerspruch und damit sei die Existenz Gottes bewiesen. Ähnlich argumentierte später  Descartes, bei seinem »1. Gottesbeweis«. Er glaubte in sich die Idee eines allervollkommensten Wesens vorzufinden, die er Gott nannte. Diesem Wesen müsse Existenz zukommen, denn sonst wäre es ja nicht vollkommen. ( Meine Kritik am Ontologischen Gottesbeweis.)

Kosmologischer Gottesbeweis: Es wird von der Existenz der Welt auf die Existenz Gottes geschlossen. Ich kenne sechs Varianten: (Ich drücke mich vorsichtig aus, da ich gerade vor Kurzem erst die sechste Variante kennengelernt habe. Eventuell gibt es schon die siebte und achte Variante.)

  1. Wir nähmen Bewegung in der Welt wahr. Alles Bewegte habe einen Beweger. Deshalb müsse es einen letzten Beweger geben, von dem die Bewegung ihren Ausgang nehme. Dieser 1. Beweger sei Gott. (So argumentierten u. a.  Aristoteles und  Thomas von Aquin.)
  2. Alles in der Welt habe eine Ursache, die selbst wieder Wirkung einer anderen Ursache sei. Es müsse eine 1. Ursache geben, von der die Ursache-Wirkungskette ihre Ausgang nahm. Diese 1. Ursache sei Gott. (Auch »Kausaler Gottesbeweis«. So argumentieren u. a.  Thomas von Aquin,  Avicenna und  Duns Scotus.)
  3. Alles in der Welt entstünde und vergehe, könne also sein oder nicht sein. Es müsse etwas geben, das mit Notwendigkeit existiere, damit das viele zufällig Existierende, existieren könne. Dieses Notwendige oder diese »letzte Notwendigkeit« sei Gott. (Auch Kontingenzbeweis Gottes. So argumentieren u. a.  Thomas von Aquin,  Avicenna,  Maimonides, Leibniz und Wolff.)
  4. Der Theorie der Entropie nach wird unser Universum einst den Wärmetod sterben, da alle Energiedifferenzen verschwunden sein werden. Wäre das Universum ewig, müsste dieser Wärmetod bereits eingetreten sein. Die Welt muss also einen Anfang haben. Dieser Anfang ist Gott. (Entropologischer Gottesbeweis. Entstand im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts.)
  5. Alles in der Welt bewege bzw. verändere sich nach Naturgesetzen. Es müsse ein Gesetzgeber vorhanden sein, der den Dingen befohlen habe, sich so und nicht anders zu verhalten. Dieser Gesetzgeber sei Gott.
  6. Eine ganz frische Variante des Kosmologischen Gottesbeweises kommt von dem deutschen Informatiker und fundamentalchristlichen Kreationisten Werner Gitt. Er behauptet, bestimmte Informationen müssten einen intelligenten Urheber haben, könnten nicht aus dem Nichts entstehen.

( Meine Kritik an den verschiedenen Varianten des Kosmologischen Gottesbeweises .)

Teleologischer oder physikotheologischer [1] Gottesbeweis: Es wird von der (scheinbaren) Zweckmäßigkeit und Zielgerichtetheit aller Erscheinungen in der Welt auf die Existenz Gottes geschlossen. Es müsse etwas geben, dass diese Zweckmäßigkeit und Zielgerichtetheit erzeuge. (So argumentierten u. a. Anaximandros, Diogenes von Apollonia, Sokrates,  Platon,  Aristoteles und  Thomas von Aquin. ( Meine Kritik am Teleologischen Gottesbeweis.)

Gottesbeweis aus der Komplexität der Welt: Es wird von der Komplexität vieler Bestandteile der Welt auf die Existenz Gottes geschlossen. Mit dem  Teleologischen Gottesbeweis verwandt, aber nicht auf ihn reduzierbar. So vertrat z. B.  Henri Bergson die Auffassung, dass die Entfaltung des Lebens zu immer höheren Formen nicht aus der Materie und ihren Gesetzen kommen könne, sondern gerade gegen sie, gegen Trägheit und Zufall einträte. Die Entstehung zweckmäßiger und komplizierter Gebilde als einen Prozess der Variation (zufälliger Mutation) und Auslese anzusehen, sei ein Wunderglaube. Auch die Vertreter des Kreationismus argumentieren in diese Richtung. ( Meine Kritik am Gottesbeweis aus der Komplexität.)

 Moralischer oder ethikotheologischer [2] Gottesbeweis (mitunter auch deontologischer Gottesbeweis): Nachdem Kant in der  Kritik der reinen Vernunft den  ontologischen, den  kosmologischen und den  teleologischen Gottesbeweis abgelehnt hatte, bringt er in der  Kritik der praktischen Vernunft einen eigenen Gottesbeweis. Sittliches Handeln sei praktische Gottesbejahung und nicht möglich ohne Glauben an Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Nach Kant fühlen wir, dass es eine Unsterblichkeit gibt, auch wenn wir sie nicht beweisen könnten. Wenn das Sittengesetz in uns fordere, nicht nur nach diesseitigem Glück zu streben, sondern das Gute mit sittlicher Unbedingtheit zu tun, also Glückswürdigkeit zu erreichen, so müsse es einen gerechten Lohn im Jenseits für die sittliche Persönlichkeit geben. Eine populäre Variante dieses Gottesbeweises ist die Auffassung, dass es ohne Gott keinen Unterschied gebe zwischen  Gut und Böse. Es gäbe dann keinen Maßstab, an dem menschliches Verhalten als falsch oder richtig erkannt werden könne. ( Meine Kritik am Moralischen Gottesbeweis.)

Axiologischer- oder eudämologischer Gottesbeweis: Die Menschen strebten nach der Verwirklichung von Werten bzw. nach dem höchsten Glück. Alle irdischen Werte und alles irdische Glück seien aber bedingt und endlich. Deshalb müsse es einen obersten Wert bzw. eine höchste Glückseligkeit geben. Dieses sei Gott. (Ein neuscholastischer Gottesbeweis aus dem 19. Jahrhundert und 20. Jahrhundert. –  Meine Kritik am Axiologischen Gottesbeweis.)

Historischer Gottesbeweis (auch ethnologischer Gottesbeweis): Aus der Tatsache, dass in fast allen Völkern, in verschiedensten völlig von einander getrennten Kulturen an Gott geglaubt werde, wird abgeleitet, dass es einen Gott geben muss. ( Meine Kritik am Historischen Gottesbeweis.)

Der Psychologische Gottesbeweis hat eine Ähnlichkeit sowohl mit dem  historischen, wie mit dem  ontologischen Gottesbeweis. Der Ursache der menschlichen Vorstellung von Gott könne nur Gott selber sein. ( Meine Kritik am Psychologischen Gottesbeweis.)

Pragmatischer Gottesbeweis: Für den Pragmatimus ist Wahrheit = Nützlichkeit. Der pragmatische Philosoph James vertrat die Auffassung, der Glaube an Gott führe zu Optimismus, Vertrauen in die Zukunft etc. während die Leugnung von Gott zu Pessimismus, Hoffnungslosigkeit etc. führe. Deshalb sei Gottesglauben wahr und Gottesverneinung falsch. ( Meine Kritik am Pragmatischen Gottesbeweis.)

Zur »Pascalschen Wette« siehe  Pascal

Die Wahrscheinlichkeit Gottes: Nun waren bzw. wurden (im Verlaufe ihrer Forschungen und Überlegungen) viele bedeutende Naturwissenschaftler religiös bzw. metaphysisch gestimmt. Die ausgesprochenen Atheisten findet man eher im wissenschaftlich-technischen Mittelbau. Auch diese Tatsache wird oft als ein Gottesbeweis oder zumindest als ein Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit Gottes angesehen. ( Meine Auffassung zur Wahrscheinlichkeit Gottes.)


Meine Kritik an den Gottesbeweisen

Wir dürfen nicht vom Denken auf das Sein schließen! Das ist für mich das wichtigste Argument gegen alle Arten von Gottesbeweisen. In unserem praktischen Leben können wir unser Denken einsetzen um Handlungsstrategien zur Befriedigung von Bedürfnissen zu erarbeiten. Über das praktische Leben hinaus können wir bestenfalls noch philosophische  Hypothesen aufstellen. Viele Philosophen lehnen selbst das ab. Wir können nicht wissen, was unser Verstand bezogen auf das ganze Sein (»ganzes Sein« ist schon tautologisch) wert ist. Möglicherweise ist unsere Stellung im Sein vergleichbar mit der eines Hundes, der sich in der Bibliothek seines Herren aufhält. (Sehen Sie hierzu auch meinen  »Wespenvergleich« in Meiner Philosophie,  James und  Ditfurth.)

Zum  Ontologischen Gottesbeweis: Dass wir einen  Begriff oder einen Gedanken haben, sagt noch nichts darüber aus, ob diesem Begriff oder Gedanken auch etwas in dem von uns unabhängigen Sein entspricht. Man kann lange über eine bestimmte Erscheinung reden, feststellen, welche Eigenschaften sie hat, ohne darüber zu reden, ob sie eine von uns Wahrnehmenden unabhängige Existenz hat. Kant bestritt, dass »Existenz« eine Eigenschaft wie andere sei. (Rot, flüssig, stinkend etc.) – Und noch einen weiteren Gedanken finde ich wichtig: Ich sage z. B., das Sein ist alles, was in irgendeiner Weise existiert, ob ich es kenne oder nicht. (Was in letzter Instanz eine  Hypothese ist, da ich hier das Denken auf das Sein anwende.) Außerhalb des Seins kann es nichts geben, da alles, was es gibt, per Definition Teil des Seins ist. Wenn ich dieses allumfassende Sein nun »Gott« nenne (und dies haben ja viele Philosophen gemacht), dann kann tatsächlich nichts größeres gedacht werden als Gott. Aber gleichzeitig ist der Begriff »Gott« auch soweit gefasst, dass er jeden Erklärungswert verliert. Wenn das Ganze Gott ist, dann ist nichts darüber ausgesagt, welche Teile des Ganzen (z. B. Materie und Bewusstsein) das Primäre, das Ausschlaggebende sind, ob es eine den Menschen übergeordnete allmächtige, sich wissende Person gibt. Ein solch weiter Gottesbegriff hat genauso wenig Wert, wie der Materiebegriff  Lenins. Ob man nun alles »Gott«, oder alles »Materie« nennt, man rettet am Ende nur noch Worte, aber nicht die Weltanschauung, die mit diesen Worten ursprünglich mal verbunden war.

Zum  Kosmologischen Gottesbeweis: Zu den ersten drei Varianten: Man könnte die  Hypothese aufstellen, dass das Sein keinen Anfang hat, dann braucht man keinen ersten Beweger, keine erste Ursache und keine erste Notwendigkeit. Wenn man sich die Welt ohne einen Weltschöpfer nicht erklären kann, dann verschiebt man dieses Problem nur um eine Stufe. Wer hat denn diesen Gott bewegt, verursacht, notwendig gemacht? Wenn Gott aus sich heraus sein kann, warum dann nicht die Welt? Zur Kausalität muss noch hinzugefügt werden, dass die durchgängige Determination aller Ereignisse inzwischen sowohl philosophisch wie naturwissenschaftlich von vielen Philosophen und Wissenschaftlern bezweifelt wird. (Sehen Sie dazu auch Willensfreiheit.) Zur vierten Variante: Es muss im Sein (nicht unbedingt im Universum) etwas geben, das der Entropie entgegen wirkt. Dies kann aber auch ein Naturgesetz sein. Oder eine unpersönliche  Weltvernunft. Zur fünften Variante: Wenn ein Gesetzgeber nur aus sich heraus sein kann, warum dann nicht auch die Naturgesetze?

Zum  Teleologischen Gottesbeweis und zum  Beweis Gottes aus der Komplexität der Welt: Wie  Hume bin ich der Auffassung, dass dieser Beweis diskutabel, aber nicht zwingend ist. Ich kann mir die Entstehung immer komplexerer Gebilde als ein Ergebnis zufälliger Mutationen mit anschließenden Selektionen auch nicht vorstellen. Wenn man hier aber einen bewussten Schöpfer, einen »intelligenten Designer« am Werk sieht, dann stellt sich die Frage, warum es soviele Umwege, soviele Stillstände gab, warum sich über Millionen oder hunderte Millionen Jahre hinweg scheinbar gar nichts höher entwickelt hat. Ganz abgesehen davon, dass ich die  Liebe und Güte eines solchen Schöpfers in der Natur nicht entdecken kann. Aus den vielen Unvollkommenheiten der Welt und der Menschen könnte man auch auf einen »unintelligenten Designer« schließen. (Nur ein Beispiel: Teile unseres Körpers – Bandscheiben, Gelenke – verschleißen viel schneller als nötig. Sie hätten nur etwas intelligenter konstruiert sein müssen.) Außerdem müsste ein solcher bewusster Schöpfer ja noch viel komplizierter sein, als die kompliziertesten Gebilde der Welt. Man verschiebt das Problem, sich die Komplexität nicht erklären zu können, nur um eine Station. Es können hier auch Naturgesetze am Werk sein, die unser Fassungsvermögen übersteigen. Ich habe eine Neigung zum Pantheismus, aber ich bin mir darüber im Klaren, dass, wenn man die Gesamtheit aller Naturgesetze, der uns bekannten und der uns unbekannten, mit einem unpersönlichen Gott gleichsetzt, der Begriff Pantheismus problematisch werden kann. Es gibt einige physikalische Grundtatbestände in unserem Universum, ohne die sich kein Leben hätte entwickeln können. Dort eine Absicht zu vermuten, ist naheliegend, aber nicht zwingend. Näheres in der Anmerkung 77 Meiner Philosophie. Ich neige zu der Auffassung, dass es im Sein eine Intelligenz gibt, die an keine Gehirne gebunden ist und keiner Person angehört. Siehe auch  Hoimar von Ditfurth und  Konrad Lorenz.

Zum  Moralischen Gottesbeweis: Kant fand in sich ein starkes Pflichtgefühl vor, welches das Ergebnis seiner konkreten Natur oder (wahrscheinlicher) das Ergebnis seiner konkreten protestantischen, pietistischen Erziehung war. (Sozialisation) Kant entwickelte deshalb eine  Pflichtethik. Aber wenn wir aus einem Pflichtgefühl heraus bestimmte Handlungen vollziehen und andere unterlassen, folgt daraus in keiner Weise, dass wir nach unserem Tode dafür belohnt werden. Bestenfalls können wir das hoffen. Aber jede »gute« Tat, die wir in Hoffnung auf Belohnung tun, ist egoistisch, wird nicht mehr aus Pflichtbewusstsein getan. – Was für uns Menschen  Gut und Böse ist, ergibt sich nach meinen Überzeugungen aus unseren Bedürfnissen. Ein Gott ist dafür nicht nötig. (Näheres dazu auch in der Anmerkung 100 Meiner Philosophie.) Im Übrigen weiß jeder Mensch, der sich etwas in der Geschichte auskennt, wieviel Leid und Elend gerade Religionen über die Menschheit gebracht haben. Glaubenskriege, Missionierungen fremder Völker mit millionenfacher Schlächterei, Inquisition, Hexenverbrennung etc.

Zum  Axiologischen bzw. eudämologische Gottesbeweis: Was wir für Werte und Glücksvorstellungen haben, entspringt aus unseren Bedürfnissen und diese aus unserer Natur und unserer Sozialisation in einer bestimmten Gesellschaft und einem bestimmten Kulturkreis. In dem von uns Menschen unabhängigen Sein muss es nicht notwendigerweise etwas geben, dass unseren Werten und unsern Glücksvorstellungen entspricht.

Zum  Historischen und Psychologischen Gottesbeweis: Hier können sich in der menschlichen Natur liegende anthropologische Konstante ausdrücken. Allen Menschen ist gemeinsam, dass sie auf bestimmten Entwicklungsstufen oder in bestimmten Situationen ähnliche Ideen bzw. Erklärungen entwickeln. Diesen Ideen und Erklärungen muss nicht unabhängig von den Menschen Existierendes entsprechen.

Zum  Pragmatischen Gottesbeweis: Dass Gottesglaube immer zu Optimismus, Vertrauen in die Zukunft etc. führe und die Gottesleugnung zu Pessimismus, Hoffnungslosigkeit etc. ist falsch. Es gibt unter den Atheisten,  Agnostikern und Skeptikern viele optimistische, der Welt, dem Leben, der Zukunft zugewandte Menschen, während es unter den Gottgläubigen Menschen gibt, die ein ganz jämmerliches Leben führen. Z. B. weil sie unter der ständigen Selbstunterdrückung ihres Sexualtriebes leiden. Weil sie einmal in einer emotionalen Ausnahmesituation den  Heiligen Geist beschimpft haben (wie z. B. der Vater von  Kierkegaard), was nach christlicher Dogmatik weder im Diesseits, noch im Jenseits jemals verziehen wird. Oder weil sie im wirtschaftlichen Leben nicht so gut zurechtkamen und als  Kalvinisten daraus schlossen, für die ewige Verdammnis prädestiniert zu sein. (Ich könnte die Liste noch beträchtlich erweitern.) – Aber selbst wenn der pragmatische Gottesbeweis zwingend wäre, wäre damit nicht Gott, sondern lediglich der Glaube an ihn wahr.

Zur Wahrscheinlichkeit Gottes: Dass bedeutende Wissenschaftler an Gott glauben bzw. glaubten, kann zwei Ursachen haben: 1. Klugheit und Dummheit können in einem Menschen dicht beieinander liegen. Ein Mensch kann in bestimmten geistigen Bereichen einen starken Intellekt, eine große analytische Begabung, eine gewaltige Kreativität haben. In anderen Bereichen ist er blind wie ein Maulwurf, weil ihn unbewusste psychische Erkenntnisschranken daran hindern, liebgewordenen Glaubenssätze aufzugeben. (Das gleiche erlebe ich bei vielen Atheisten!) 2. Menschen können auf Grund der Vielfalt, der Komplexität der Welt, der (scheinbar) zwangsläufigen Entwicklung zu immer höheren Formen, der immer wieder Erstaunen hervorrufenden vernunftanalogen Entwicklungen im Kosmos zu der Auffassung gelangen, dass Naturgesetze allein das nicht bewerkstelligen können. (Nähe zum  Teleologischen Gottesbeweis und zum  Gottesbeweis aus der Komplexität der Welt.) Mir geht es ja genauso! Das ist einer der Gründe, weshalb ich kein Atheist bin, sondern ein  Agnostiker mit einer Neigung zum Pantheismus. Sehen Sie hierzu auch  Gedanken, die auf einen ideellen Ursprung der Welt hinweisen.

Es ist aber ein Unterschied, ob man im Verlaufe von Erfahrungen und kritischem Denken zur Auffassung gelangt, dass ein geistiger oder vernünftiger Kern des Seins wahrscheinlich ist, oder ob man von vornherein an einen Gott, dazu noch an einen ganz speziellen Gott einer bestimmten Religion, glaubt und nachträglich versucht, diesen Glauben zu rationalisieren. Der ehemalige Papst Benedikt der XVI. versucht die Trinität mit der  Quantentheorie zu erklären. Auf die gleiche Weise könnte man aber auch versuchen einen zweieinigen, viereinigen oder zehneinigen Gott zu beweisen. Man kann sich mit Quantenphysik beschäftigen aus allen Blickwinkeln und in alle Verzweigungen und Details hinein und wird dabei nie auf einen Dreieinigen Gott stoßen, wenn man nicht schon von vornherein an einen solchen glaubt.

Selbst wenn einer der vielen Gottesbeweise zwingend wäre – was nicht der Fall ist –, wäre über die konkrete Beschaffenheit eines solchen Gottes noch gar nichts gesagt. Es wäre noch gar nichts darüber gesagt, welche der diversen Religionen die richtige ist. In jeder konkreten Religion wird außer an Gott noch an eine ganze Menge weiterer Aussagen geglaubt. Sehen Sie hierzu auch  Über die Unschlüssigkeit des christlichen Gottesbildes.


Zur philolex-Startseite


Anmerkungen

Anm. 1: »Physikotheologisch« bedeutet, dass hier Argumente der Physik und der Theologie zusammenkommen. Zurück zum Text

Anm. 2: »Ethikotheologisch« bedeutet, dass hier Argumente der Ethik und der Theologie zusammenkommen. Zurück zum Text


Copyright © by Peter Möller, Berlin.