David Hume

David Hume (1711–1776) war ein schottischer Philosoph, Historiker und Diplomat. Er war ein bedeutender Vertreter der englischen  Aufklärung [1], des neuzeitlichen Skeptizismus und des Empirismus. Er folgte in der Entwicklung des erkenntniskritischen Denkens auf Locke und Berkeley. Hume beeinflusste Kant. Er wird auch gelegentlich als früher Positivist bezeichnet.  Popper entwickelte seine Erkenntnistheorie u. a. in Auseinandersetzung mit Hume. Viele Radikale Konstruktivisten sehen in Hume einen ihrer Vorläufer. Hume gilt auch als Mitbegründer der Ökonomie.


David Hume ausführlicher


Erkenntnistheorie

Hume will ein sicheres Fundament menschlichen Wissens schaffen. Dafür entwickelt er in Anknüpfung und in Kritik an Locke und Berkeley seine eigene Erkenntnistheorie.

impressions and ideas: Das durch äußere und innere Wahrnehmung gegenwärtig und tatsächlich Gegebene sind nach Hume »impressions«. Die impressions seien das Primäre. »ideas« seien die durch Erinnerung und Phantasie hervorgebrachten Nachbildungen von impressions. (Ideen sind bei Hume also etwas anderes als bei  Platon.) Komplexe Ideen würden durch Kombinationen einfacher Elemente (impressions and ideas) gebildet. Diese Auffassung heißt  Assoziationspsychologie. (Hier setzt  Poppers Kritik an, in dem er den schöpferischen, gestaltenden Charakter des menschlichen Geistes betont. Diese Auffassung heißt  Gestaltpsychologie.)

Individuelle Irrtümer: Irrtümer entstünden durch falsche Kombinationen, z. B. dadurch, dass eine Idee auf Impressionen zurückgeführt würde, die dafür gar nicht die Ursache waren, weil uns vielleicht die wirklich zugrundeliegenden Impressionen entfallen seien. Solche Irrtümer seien aber individuell und würden von der Erfahrung korrigiert.

Irrtümer der Gattung: Es gebe aber auch Irrtümer, denen alle Menschen gleichermaßen unterliegen würden, »idola tribus«, wie  Francis Bacon sagen würde. Solche Irrtümer sind nach Hume jedoch die Grundlage der allgemeinsten Begriffe der bisherigen Wissenschaft und Philosophie. Dazu führt er u. a. folgende wichtige, zentrale Begriffe an:

Substanz: Die Impressionen vermittelten uns nur Qualitäten, Eigenschaften (z. B. Farbe, Festigkeit). Wir nähmen keine hinter diesen Eigenschaften stehende Substanz wahr. Es sei ein in allen Menschen wohnender innerer Zwang, der uns eine hinter den Qualitäten stehende Substanz annehmen ließe.

Kein Ich: So wie es keine körperliche Substanz gebe, die den äußeren Impressionen zu Grunde liege, so gebe es auch keine geistige Substanz, die den inneren Impressionen des Erkennens, Fühlens und Wollens zu Grunde liege. Es gebe keine Seele, kein unveränderliches Ich. ( Buddhismus, der frühe  Husserl. Der späte Husserl führt mit seinem »reinen Ich« eine solche geistige Substanz ein.) Während bei Berkeley, nachdem die materielle Welt sich in Bewusstseinsinhalte aufgelöst hatte, zumindest noch das individuelle Bewusstsein und damit das Ich blieb, bleibt bei Hume nur noch ein Ablauf von Phänomenen im Bewusstsein, das aber gegenüber diesen Phänomenen keine selbständige Existenz hat. [Wenn man alle Impressionen streichen würde, dann bliebe kein Ich mehr übrig.] Siehe auch  Aktualismus.

Kausalität: Wie bei der Substanz so gebe es auch bei der Kausalität keine Impression, die uns ein Durcheinanderbedingt vermittelt. Wahrnehmen können wir nur ein Miteinander oder Nacheinander. Es sei ein innerer Zwang, der uns dazu treibe, eine ursächliche Verknüpfung anzunehmen, wenn wir häufiger zwei Ereignisse miteinander oder nacheinander erleben würden.

Die Induktion könne daher kein sicheres Wissen vermitteln. Da wir uns keiner Kausalität sicher sein könnten, könnten wir nie sicher sein, ob zwei Ereignisse, die in der Vergangenheit (genauer eigentlich in unserer Erinnerung) zusammen oder kurz aufeinander folgend auftraten, auch in der Zukunft zusammen oder kurz aufeinander folgend auftreten werden. [Hier besteht eine Übereinstimmung mit  Popper]

Gegen Dogmatismus: Im praktischen Leben behielten Substanz und Kausalität ihre Gültigkeit und Berechtigung. Humes hatte nicht die Absicht, diese im Mechanismus unseres Denkens begründeten Vorstellungen zu beseitigen. Er wollte lediglich aufzeigen, dass die dogmatischen Philosophen mehr zu wissen glauben, als sie wissen können. [Exakt meine Position!]

[Kant hat bekan(n)t, von Hume aus dem dogmatischen Schlummer geweckt worden zu sein. Mit seinem  »Ding an sich« ist er aber ein Rückfall hinter Hume! Er postuliert eine Substanz hinter unseren Wahrnehmungen, die er dann auch noch kausal herleitet.]

Mathematik habe als analytische Lehre von den Quantitätsverhältnissen unserer Vorstellungen absolute Gewissheit.

Wissenschaft habe, soweit sie sich auf Tatsachen, das heißt auf Impressionen und das von diesen Abgeleitete beschränkt, zwar keine Gewissheit wie die Mathematik, aber einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ihrer Aussagen.


Sittlichkeit und Religion

Der praktische, ethischen Teil seiner Philosophie war Hume wichtiger als seine Erkenntnistheorie.

Die Leidenschaften seien der einzigen Antriebe unseres Handelns. Deshalb sei es ein Wahn anzunehmen, unsere (theoretische) Vernunft könne unser Wollen und Handeln bestimmen. [Hier meine ich allerdings mit  Spinoza, dass die Vernunft selbst zur Leidenschaft werden kann.]

In den Bereichen der Ethik, der  Sitte und der Religion vertrat Hume im wesentlichen die Positionen Coopers. Es gebe einen besonderen moralischen Sinn im Menschen. Im Unterschied zu Cooper sah Hume allerdings eine große Bedeutung des moralischen Urteils der Mitmenschen. Ohne das Urteil anderer Menschen wüsste man nicht, ob man schön sei, und auch nicht, ob man gut handle. [Dies kommt der Wahrheit wohl etwas näher, weil zwischenmenschliches, gesellschaftliches einbezogen wird.]

Hume vertrat die Auffassung, dass sich aus »Ist-Aussagen« keine »Soll-Aussagen« ableiten ließen. Dieses »Humesche Prinzip« findet man später u. a. auch bei  Max Weber und  Karl Popper.

Für Hume hatte die Ethik auch eine hedonistische Grundlage. Wie bei  Hobbes. Mit dieser Auffassungen unterschied er sich von  Hutcheson.

An der Religion sei allein die praktische, ethische Seite von Interesse bzw. von Bedeutung. Nun ist es aber nach Hume so: Der selbständig Denkende bedürfe keiner religiösen Motive. Sein sittliches Handeln ergebe sich aus der (praktischen) Vernunft. Die nicht selbständig Denkenden bedürften einer religiösen Verstärkung. Aber gerade diese Menschen verbänden die Religion unausweichlich mit Fanatismus, Aberglauben, scheinheiliger Frömmigkeit, Intoleranz, Verfolgung Andersdenkender usw. Das alles sei schlimmer, als wenn es gar keine Religion gäbe.

Wunder: Je unwahrscheinlicher das behauptete Ereignis, um so größer müsse die Glaubwürdigkeit des Zeugen sein. So sei es aber bei den überlieferten Berichte über angebliche Wunder nicht.

Gottesbeweise: Der  ontologische Gottesbeweis sei indiskutabel. Der  teleologische Gottesbeweis sei diskutabel, aber nicht zwingend. [Exakt meine Position!]


Zitate von Hume

»Sehen wir die Bibliotheken durch, welche Verwüstungen müssen wir da nicht anrichten? Greifen wir irgend einen Band heraus, etwa über Gotteslehre oder Schulmetaphysik, so sollten wir fragen: Enthält er irgend einen abstrakten Gedankengang über Grösse oder Zahl? Nein. Enthält er irgend einen auf Erfahrung gestützten Gedankengang über Tatsachen und Dasein? Nein. Nun, so werft ihn ins Feuer, denn er kann nichts als Blendwerk und Täuschung enthalten.« [Menschen, die mit anderen Methoden versuchen, Wissen zu erwerben, muss man kritisieren dürfen, aber man sollte nicht ihre Bücher verbrennen. Damit wurden keine guten Erfahrungen gemacht.]

»Alle Philosophie der Welt und alle Religion, die nur eine besondere Art der Philosophie ist, wird niemals imstande sein, uns über den gewöhnlichen Lauf der Erfahrung hinauszuführen.« [Dieser Satz selbst entspringt nicht der Erfahrung! Er ist Ergebnis von Denken. Der Verstand bzw. die Vernunft stellt hier eine  Hypothese auf.]

»Moral is no matter of fact.« (Dt.  Moral ist keine Tatsache.) [Eingeschränkte Vorstellung von »Tatsache«.]

»Stärker als alle Grundsätze ist die Natur

»Bleibe nüchtern und vergiss nicht, skeptisch zu sein!.«

»Strafe muss, nach unseren Begriffen, dem Vergehen angemessen sein. Warum denn ewige Strafen für zeitliche Vergehen eines so schwachen Wesens als des Menschen

»Die Vernunft ist nur ein Sklave der Affekte und soll es sein; sie darf niemals eine andere Funktion beanspruchen, als die, denselben zu dienen und zu gehorchen.« [Bei aller prinzipieller Sympathie für Hume, in diesem Punkte ziehe ich  Spinoza vor.]

»Keine Zufälligkeit irgendwo im Universum, keine Gleichgültigkeit, keine Freiheit. Während wir handeln, wird gleichzeitig an uns gehandelt.« [Da wir uns nach Hume keiner Kausalität sicher sein können, widerspricht er mit dieser Aussage seinen eigenen Grundannahmen!]


Kommentare zu Hume

Immanuel Kant: »Ich gestehe frei: die Erinnerungen des David Hume war eben dasjenige, was mir vor vielen Jahren zuerst den dogmatischen Schlummer unterbrach, und meinen Untersuchungen im Felde der spekulativen Philosophie eine ganz andere Richtung gab.«

Arthur Schopenhauer: »Aus jeder Seite von David Hume ist mehr zu lernen, als aus Hegels, Herbarts und Schleiermachers sämtlichen philosophischen Werken zusammengenommen.«


Meine Kritik an Hume

Nach Hume können wir Substanz und Kausalität nicht wahrnehmen. Ein innerer Zwang führe uns dazu, anzunehmen, dass es Substanz und Kausalität gebe. Wer dies aber verabsolutiere, behauptet mehr zu wissen, als er wissen könne.

Hume denkt aber nicht konsequent zu ende. Ich kann nicht wahrnehmen, dass die Welt (die ich im Wachbewusstsein erlebe) unabhängig von mir existiert. Ich kann nicht wahrnehmen, dass mein Mitmensch wie ich ein bewusst erlebendes Subjekt ist. Ein innerer Zwang (oder einfach nur die Gewohnheit) führt mich dazu, anzunehmen, dass die Welt unabhängig von mir existiert, und dass mein Mitmensch ein bewusst erlebendes Subjekt ist. Aber wenn ich dies verabsolutiere, dann behaupte ich mehr zu wissen, als ich wissen kann. Der Solipsismus ist nicht ausschließbar.

Aber genauso wie Hume im praktischen Leben Substanz und Kausalität bestehen lässt, genauso lasse ich die Welt und die Mitmenschen im praktischen Leben als unabhängig von mir existierend bestehen. Und wer im praktischen Leben etwas anderes zugrunde legt, der gehört, da bin ich ganz der Meinung Schopenhauers, ins Tollhaus.]

Die Rolle der Vernunft wurde von Hume unterschätzt.


Literatur und Sekundärliteratur

Literatur: (Auswahl)

Sekundärliteratur:

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Anmerkungen

Anm. 1: Man findet auch die Angabe, Hume sei Vertreter der schottischen Aufklärung. Was auf Grund seiner ethnischen Herkunft plausibel erscheint. Mehrheitlich werden in der Literatur aber die schottischen und irischen Philosophen der englischen Philosophie zugerechnet. Das ist verursacht, durch die jahrhundertelange Dominanz der Engländer über die Schotten und Iren. Zurück zum Text


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